Donald Trump noch bis zum 20. Januar an den Hebeln der Macht sitzen zu sehen, bereitet vielen Demokraten, aber auch einigen Republikanern Kopfzerbrechen. Was muss passieren, damit der US-Präsident vorzeitig abgelöst wird?
Was treibt Donald Trump an den letzten Tagen seiner Amtszeit? Zwar hat der amtierende US-Präsident die tödlichen Ausschreitungen am und im Kapitol mittlerweile doch verurteilt und eine reibungslose Amtsübergabe an seinen Nachfolger Joe Biden versprochen. Doch das Vertrauen in die Worte Trumps ist bei den Demokraten, aber auch bei einigen Republikanern, komplett erloschen. Zu groß ist die Sorge vor einem Präsidenten, der nichts mehr zu verlieren hat, aber noch fast zwei Wochen an den Hebeln der Macht sitzt.
Viele Kongressmitglieder würden Trump lieber sofort als am 20. Januar aus dem Oval Office befördern. Selbst einige republikanische Politiker sprechen sich dafür aus, Trump so schnell es geht aus dem Weißen Haus zu werfen.
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Eine Möglichkeit wäre ein Amtsenthebungsverfahren. Dazu ist zunächst einmal die absolute Mehrheit im Repräsentantenhaus nötig. Außerdem müssten die Senatoren mit Zwei-Drittel-Mehrheit für den vorzeitigen Rauswurf des Präsidenten stimmen. Im Senat müssten also auch etliche republikanische Senatoren für die Ablösung Trumps votieren.
Daran ist ein "Impeachment" im vergangenen Jahr gescheitert. Mit ihrer damaligen Senatsmehrheit verhinderten die Republikaner im Februar, dass Trump "impeached", also abgesetzt, wird. Die Demokraten hatten Trump Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen in der Ukraine-Affäre vorgeworfen.
Ein neuerlicher Versuch, Trump über diesen Weg aus dem Amt zu befördern, ist kaum erfolgversprechend. Zum einen bräuchte ein solches Verfahren wohl mehr Zeit, zum anderen wenden sich zwar immer mehr Republikaner von Trump ab, aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat hätten die Demokraten noch lange nicht sicher.
"Impeachment" ist unwahrscheinlich
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Eine andere Option, Trump noch vor dem 20. Januar aus dem Weißen Haus zu befördern, bietet der 25. Zusatzartikel der Verfassung. Dieser besagt, dass der Vizepräsident ins Präsidentenamt aufrückt, wenn das Amt vakant wird. Seit 1967 ist dieser Zusatz in der amerikanischen Verfassung verankert.
"Der 25. Zusatzartikel ist aber schon viel längere Zeit diskutiert worden, das reicht sehr weit in die amerikanische Geschichte zurück", erklärt US-Politikexperte David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Hintergrund der damaligen Diskussionen seien Präsidenten gewesen, "wo im Nachgang herauskam, dass die eigentlich schon über längere Zeit amtsunfähig waren". Als Beispiel nennt der Politologe Woodrow Wilson, US-Präsident von 1913 bis 1921.
"Der Druck ist immer weiter gestiegen, eine klare Regelung zu finden, wie man den geordneten Übergang von einem Präsidenten zum Vizepräsidenten schafft, wenn der Präsident nicht mehr in der Lage ist, das Amt auszufüllen", sagt Sirakov und verweist auch auf das tödliche Attentat auf John F. Kennedy. "Unter diesem Eindruck wurde ein konkreter Vorschlag gemacht und letztlich dann auch umgesetzt."
Im Falle der Amtsenthebung, des Todes oder des Rücktritts des Präsidenten, wird der Vizepräsident die neue Nummer eins in den Staaten. Das besagt Absatz eins des 25. Zusatzartikels. Dieser kam bis dato lediglich 1974 zum Einsatz, als Richard Nixon im Zuge der Watergate-Affäre zurücktrat und Gerald Ford neuer Präsident wurde.
Absatz zwei regelt, was passiert, wenn das Amt des Vizepräsidenten frei wird. In diesem Fall benennt der Präsident einen Vizepräsidenten, "der das Amt nach Bestätigung durch einen Mehrheitsbeschluss beider Häuser des Kongresses antritt". So steht es in der Verfassung. Gerald Ford wurde so 1973 Vizepräsident. Weil er ein Jahr später zum Präsidenten aufstieg, war der Vizepräsidenten-Posten erneut unbesetzt. New Yorks langjähriger Gouverneur Nelson Rockefeller fand deshalb den Weg ins Amt, ebenfalls auf der Basis von Absatz zwei.
Darmspiegelungen als Grund für Amtsübergaben
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"Außerdem gibt es drei Beispiele für einen temporären Übergang zwischen Präsident und Vizepräsident", sagt Sirakov und verweist auf Absatz drei des 25. Zusatzartikels. In diesem Fall erklären sich Präsidenten selbst für kurzzeitig amtsunfähig. "Das haben 1985 Ronald Reagan sowie 2002 und 2007 George W. Bush so gehandhabt, als sie wegen medizinischer Eingriffe für kurze Zeit in Narkose gesetzt werden mussten." In allen drei Fällen waren Darmspiegelungen der Grund für die zwischenzeitlichen Amtsübergaben.
Der 25. Zusatzartikel bietet aber noch eine weitere Möglichkeit, den Präsidenten abzusetzen. Der Schlüssel liegt im vierten Absatz. Dort heißt es, dass der Vizepräsident zusammen mit der Mehrheit der Minister den Präsidenten als amtsunfähig deklarieren kann. "Da würde es eher darum gehen, dass dem Präsidenten eine plötzliche schwere Erkrankung unterstellt wird. Das kann man natürlich interpretieren, wie man möchte", erklärt Sirakov. In diesem Fall müsste der Vizepräsident mit der Mehrheit des Kabinetts den Kongress darüber informieren, dass der Präsident nicht in der Lage ist, sein Amt auszufüllen. "Der Vizepräsident würde dann die Geschäfte kommissarisch übernehmen."
Pence müsste übernehmen
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Im aktuellen Beispiel würde das bedeuten, dass Vizepräsident Mike Pence zunächst die Mehrheit der Minister hinter sich bringen und die Amtsunfähigkeit des Präsidenten schriftlich dem Kongress mitteilen müsste. Pence würde zum kommissarischen Präsidenten, Trump könnte aber Einspruch einlegen. Dann müsste der Kongress entscheiden. Um den Präsidenten endgültig mit Hilfe des 25. Zusatzartikels aus dem Amt zu werfen, braucht es dort eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Das wäre ein beispielloser Vorgang in der langen Geschichte der amerikanischen Demokratie. Solange Trump im Amt ist, scheint zwar nichts unmöglich zu sein. "Vize" Pence lehnt es laut US-Medienberichten jedoch bislang ab, Trump über diesen Weg vorzeitig abzusetzen.
Und auch Politikwissenschaftler Sirakov hält die Anwendung von Zusatzartikel 25, Absatz vier, für unrealistisch: "Pence hat sich aus Sicht von Trump im Zuge der Anerkennung der Wahlergebnisse nicht loyal gezeigt. Aber das liegt einfach daran, dass er verfassungsrechtlich an dieser Stelle keine andere Möglichkeit hatte. Er schwingt politisch auf der selben Wellenlänge wie Trump und stand in den vergangenen Jahren stets loyal an der Seite des Präsidenten."