Die Bilder aus Washington wirken auch knapp eine Woche später nach. Die US-Hauptstadt erholt sich nur langsam vom Angriff auf das Kapitol – und bereitet sich auf weitere Ausschreitungen vor.
Roland Nelles, DER SPIEGEL:»Washington, D.C., gleicht zur Zeit einer Festung. Nach den Unruhen in der vergangenen Woche ist hier der ganze Bereich rund um das Kapitol abgesperrt worden. Sie haben hier also einen großen, stabilen Zaun errichtet. Es gibt 15.000 Soldaten, die in den nächsten Tagen die Hauptstadt bewachen sollen, weil man eben bis zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar mit neuen Unruhen rechnet.«
Während der Kongress am vergangenen Mittwoch den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl bestätigen wollte, drangen Anhänger des unterlegenen Donald Trump in das Regierungsgebäude ein – angestachelt vom Präsidenten selbst. Fünf Menschen kamen bei den Unruhen ums Leben, darunter ein Polizist.
Roland Nelles, DER SPIEGEL:»Es gibt also wirklich in der ganzen Stadt hier, aber auch im ganzen Land, so einen richtigen Schockmoment über das, was da in der vergangenen Woche passiert ist.«
Gleichzeitig läuft die politische Aufarbeitung. Die Demokraten wollen Trump des Amtes entheben – obwohl seine Amtszeit ohnehin in der kommenden Woche endet.
Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses:»Ich schließe mich dem Anführer der Demokraten im Senat an und fordere den Vizepräsidenten auf, den Präsidenten durch den 25. Zusatzartikel des Amtes zu entheben. Wenn der Vizepräsident und das Kabinett nicht handeln, wird der Kongress das Impeachment einleiten.«
Viele fragen sich, ob das nötig ist. Tatsächlich aber macht es für Trumps politische Zukunft einen großen Unterschied.
Roland Nelles, DER SPIEGEL:»Selbst wenn Donald Trump jetzt schon aus dem Amt sowieso ausscheiden würde am 20. Januar und sie ihn danach verurteilen würden, könnten sie auch beschließen, dass Trump nie wieder für die Präsidentschaft kandidieren darf. Und das wäre natürlich für Trump ein Fiasko, aber auch für die Politiker in Washington eine gewisse Genugtuung, weil sie sicher sein könnten, dass sie ihn für immer los sind, dass es kein Risiko gibt, dass er noch einmal ins Weiße Haus einziehen könnte, zum Beispiel 2024.«
Ob es so weit kommt, hängt bei beiden möglichen Wegen vor allem an den Republikanern. Mit dem 25. Verfassungszusatz können Vizepräsident Mike Pence und das Kabinett Trump absetzen, wenn sie ihn für amtsunfähig befinden. Das aber lehnt Pence offenbar ab. In dem Fall wollen die Demokraten das Repräsentantenhaus über eine Anklageerhebung gegen Trump abstimmen lassen. Dieses sogenannte Impeachment zieht laut der Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren im Senat nach sich. Und dort hängt ein Erfolg wieder an den Stimmen der Republikaner: Es braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit und die Demokraten stellen nur die Hälfte der Abgeordneten.
Einige Einwohner von Washington, D.C., beziehen dazu ganz klar Stellung:
Sherman Wilhelm, Einwohner in Wahsington:»Nur weil man Präsident ist, heißt das nicht, dass man vom Recht befreit ist, man sollte zur Rechenschaft gezogen werden.«Rhett Johnson, Anwalt in Wahsington:»Die Geschichte wird darauf zurückblicken und wenn wir in diesem Moment nicht handeln, haben wir versagt.«
Und auch für ambitionierte Politikerinnen und Politiker aus Trumps eigener Partei könnte ein Impeachment neue Möglichkeiten bedeuten.
Roland Nelles, DER SPIEGEL:»Vor allem für solche, die sich selber Chancen ausrechnen und die selber gerne Präsident werden würden. Für die ist natürlich gut, wenn sie Trump für immer los sind, weil dann der Weg frei wäre, 2024 selber anzutreten bei der ganzen Geschichte.«
Es gibt noch eine dritte Option: Trump könnte selbst zurücktreten. Ein Regierungsmitarbeiter teilte aber bereits mit, dass Trump bis zum 20. Januar im Amt bleiben wolle.