RPA hilft, Inhalte von Dokumenten zu klassifizieren und zu verstehen, Aufgaben zu priorisieren, Entscheidungen zu treffen und Künstliche Intelligenz (KI) auf operative Daten anzuwenden. Zentrale Automatismen ermöglichen die Ausführung von Arbeitsprozessen bei gleichzeitigem Einsatz von Überwachungs- und Berichtsfunktionen. Das klingt gut, ist aber einfacher gesagt als getan. IT-MITTELSTAND hat daher zwei Experten gefragt, worauf es bei RPA-Projekten vor allem ankommt.ITM: Wenn Mittelständler über die RPA-Einführung nachdenken: Welche Prozesse eignen sich für Newcomer besonders gut – und warum?Lars Braitinger: Mit Software-Robotern lassen sich monotone, wiederkehrende Prozesse in nahezu allen Abteilungen in Unternehmen jeder Größe und Branche automatisieren. Die Software ahmt die Aktionen menschlicher Mitarbeiter nach und entlastet diese somit von lästigen, zeit- und datenintensiven Tätigkeiten. Dabei eignet sich eine Vielzahl an Prozessen in allen Abteilungen und Branchen für Automatisierung: Behörden nutzen die Technologie für die digitale Antragsstellung oder das Rechtswesen zur Bearbeitung von DSGVO-Anfragen, die über die Webseite eingehen. Unserer Erfahrung nach beginnt die RPA-Reise oftmals in der Finanz- oder Personalabteilung eines Unternehmens; weitere Abteilungen schließen sich dann meist an.
Die zusätzliche Nutzung von Task-Mining fördert zudem Automatisierungsprojekte, da es die täglichen Desktop-Aktivitäten der Mitarbeiter erfasst. Durch den Einsatz von KI werden sich wiederholende Aufgaben, die ein hohes Automatisierungspotenzial haben, identifiziert und visualisiert, was wiederum ein effizienteres und produktiveres Arbeiten ermöglicht.Gunther Rameseder: Um den optimalen Mehrwert zu realisieren, sollten Unternehmen RPA zunächst bei Prozessen einsetzen, die über große Transaktionsvolumina und einen hohen Standardisierungsgrad verfügen. Hier bieten sich insbesondere Abläufe in der Rechnungsverarbeitung wie Accounts Payable oder Accounts Receivable, im Einkauf sowie im Vertrieb oder im Kundenservice an. Allerdings sind Unternehmensprozesse häufig nicht standardisiert genug – und Unternehmen fehlt es an Transparenz, um geeignete Prozessschritte für RPA zu identifizieren. Zudem sehen wir in vielen Unternehmen eine „Need for Customizing“. Es ist also Teil des Geschäftsmodells, Prozesse beispielsweise auf das Produkt, eine Region oder den Kunden individuell anzupassen. Das bedeutet: Auch die RPA-Technologie muss flexibler und dynamischer werden, um weiterhin skalierbare Mehrwerte liefern zu können.ITM: Welche technischen und organisatorischen Voraussetzungen sind nötig, damit die ersten Projekte erfolgreich sind?Rameseder: Damit Prozesse mit Hilfe von RPA automatisiert werden können, müssen sie zu 100 Prozent digital und regelbasiert ablaufen. Dies stellt oft eine Hürde dar: Prozesse laufen häufig über eine fragmentierte und rigide Systemlandschaft und sind dadurch noch nicht ausreichend standardisiert.
Aus organisatorischer Sicht ist es daher hilfreich, wenn im Unternehmen ein Mandat zur Prozessverbesserung besteht – Stichwort „Continuous Improvement“ oder „Operational Excellence“. Viele Unternehmen gründen hierfür ein „Center of Excellence“, um die Technologie und Methodik über verschiedene Anwendungsbereiche hinweg zu skalieren. Aus unserer Sicht ist dies ein sehr erfolgversprechender Weg, um die Prozesse in den Griff zu bekommen.
Braitinger: Die Prozesse sollten manuell, sich wiederholend und volumenstark sein, damit sie mittels RPA automatisiert werden können. Es sollte sich also um regelbasierte Prozesse handeln, die eine niedrige Ausnahmerate – also kaum Abweichungen in verschiedenen Prozessabläufen – haben und deren Eingangsdaten idealerweise elektronisch oder maschinell lesbar sind. Aber auch bei Eingangsdaten in Papierform gibt es inzwischen verlässliche Methoden der Digitalisierung und Klassifizierung, wodurch auch z.B. Papierbelege verarbeitet werden können. Bevor die Prozesse von einem Software-Roboter übernommen werden, sollten diese näher betrachtet und gegebenenfalls optimiert werden. Denn der Software-Roboter kann keine Probleme im Ablauf der Prozesse beheben, sondern nur das ausführen, was ihm aufgetragen wird.
Generell ist das Thema Kommunikation aus organisatorischer Sicht besonders wichtig, da Automatisierung noch immer als Jobkiller gesehen wird. Allerdings geht es darum, die Belegschaft in ihrer Arbeit zu unterstützen. Deswegen ist es sowohl während der Implementierungsphase als auch im täglichen Arbeitsalltag wichtig, diese mit ins Boot holen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen ihre täglichen Prozesse; sie wissen, wo ihre „Pain Points“ liegen und welche Aufgaben sie abgeben können. Unternehmen sollten außerdem Schulungen und Weiterbildungen anbieten, damit sich Mitarbeiter in diesem Bereich fortbilden und einfache Automatisierungen sogar selbst entwickeln können. Eine UiPath-Studie zeigt, dass die große Mehrheit (93 Prozent) der Unternehmen bereits auf Schulungsinitiativen für Mitarbeiter vorbereitet ist.ITM: Stichwort „Integration in die vorhandene IT-Landschaft“: Wie sollten die Schnittstellen gestaltet werden, damit beim langfristigen Betrieb keine Probleme – z.B. bei Performance, Stabilität, Skalierbarkeit, Sicherheit/Datenschutz – vorprogrammiert sind?Rameseder: RPA bietet grundsätzlich flexible Einsatzmöglichkeiten und kann leicht über Schnittstellen in den Quellsystemen angebunden werden. Somit kann RPA auf nahezu jedem System sowie industrieübergreifend eingesetzt werden. Allerdings automatisiert RPA die Prozesse im Frontend – und RPA-Bots reagieren sehr sensibel auf Anpassungen in der Benutzeroberfläche. Das bedeutet: Insbesondere bei einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Prozesse müssen Bots parallel dazu immer auch aufwändig gewartet und auf den neuesten Stand gebracht werden.
Um das zu adressieren haben wir eine skalierbare Automatisierungsplattform entwickelt, die Prozesse über APIs im Backend automatisiert und somit wesentlich stabiler läuft als herkömmliche Plattformen. Dabei nutzen wir KI und Prozessdaten, um nicht nur repetitive Aufgaben, sondern ganze Prozessabschnitte vollumfänglich intelligent zu automatisieren.Braitinger: Immer mehr Unternehmen ziehen in die Cloud um – das sollte auch für RPA bzw. Automatisierung gelten. Mit umfassender Automatisierung werden Sicherheit, Stabilität und Skalierbarkeit gewährleistet – egal, ob es sich um die eigene Cloud in AWS oder Azure oder die vom Lösungsanbieter handelt. Generell gilt: RPA- und IT-Teams müssen zusammenarbeiten. Die IT-Abteilung ist zwar für die zugrunde liegende technologische Infrastruktur verantwortlich. Allerdings benötigt sie eventuell Schulungen und Unterstützung, um diese Infrastruktur für die Automatisierung vorzubereiten und zu optimieren. Darüber hinaus ist es wichtig, die Wiederverwendung von Software bei der Automatisierungsentwicklung zu berücksichtigen und zu wissen, wie ein wiederverwendeter Automatisierungscode funktioniert, wenn er auf neue Systeme und Betriebsumgebungen angewendet wird.
Außerdem kennen sich die IT-Teams im Bereich Identitäts- und Zugriffsmanagement aus und können daher dabei helfen, sichere Automatisierungen zu erstellen, die auch auf Systeme und Prozesse zugreifen, ohne deren Sicherheit zu beeinträchtigen. Bei einem sogenannten „Citizen Developer“-Programm, bei dem Mitarbeiter ihre eigenen einfachen Automatisierungen selbst erstellen, müssen Unternehmen ihre Governance und Compliance stärken. Eine umfassende Plattform unterstützt Administratoren beispielsweise dabei, gezielt Richtlinien für unterschiedliche Nutzergruppen zur Entwicklung von Automatisierungen einzurichten.