Durch Plattformen wie Shopify und Fiverr entsteht gerade ein neues Geschäftsmodell für 1-Mann-Unternehmer: Service-Arbitrage oder Drop Servicing
Es ist ein Traum, den immer noch viele leben wollen: selbstständig und ohne großen Aufwand gutes Geld im Internet verdienen. Jetzt scheint es für Ein-Mann-Unternehmen auf der Suche nach großen Gewinnen einen neuen Trend zu geben: Drop Servicing. Wir zeigen, was hinter dem Arbitrage-Modell steckt und ob die Strategie wirklich zum großen Geld führen kann.
Dropshipping ist mittlerweile vielen ein Begriff: Shop bauen, China-Produkte in einem etwas „wertigeren Umfeld“ präsentierenn, Kunden auf Instagram oder anderen Plattformen einkaufen und wenn die etwas bestellen die Order einfach mit Adresse des Kunden an den China-Shop weiterreichen. Hier ist das Produkt natürlich deutlich günstiger als im eigenen Shop. Die chinesischen Plattformen wie Aliexpress schicken die Ware dann direkt an den Besteller. Mit dieser Methode sollen einzelne Dropshipper monatlich 10.000 Euro Gewinn gemacht haben, ohne je Ware selbst in der Hand gehalten zu haben. Rund um Dropshipping ist in den vergangenen Jahren auch eine äußerst rege Szene an „Get rich quick“-Coaches entstanden. Jetzt steht in den USA ein neues Arbitrage-Modell in den Startlöchern, das noch weniger Aufwand verspricht: Drop Servicing.
Das monatliche Suchvolumen für das Keyword „Drop Servicing“ und das Wachstum im vergangenen Jahr (Quelle: Exploding Topics)
Das steckt hinter der Service-Arbitrage
Wie der Name schon andeutet, gleichen sich die Prinzipien von Dropshipping und Drop Servicing. Beide drehen sich um Arbitrage, also das Ausnutzen von Preisunterschieden. Beim Drop Servicing bieten meist Ein-Mann-Unternehmen einen digitalen Service an – das reicht von Logo-Gestaltung, über SEO-Beratung bis hin zu Website-Design. Bucht ein Kunde eines der Angebote, geht der Anbieter zu einem Freelancer, der den kompletten Service deutlich günstiger anbietet und leitet dahin den Auftrag weiter (wovon der eigentliche Kunde natürlich nichts weiß). Das Freelancer-Prinzip vieler Agenturen oder das Outsourcing großer Unternehmen wird somit auch für Glücksritter des Internets verfügbar.
Der große Vorteil gegenüber Dropshipping: Da alles digital abläuft und keine Ware verschickt werden muss, kann es (anders als bei physischer Ware aus China) nicht zu langen Lieferzeiten kommen, die Kunden verärgern könnten. Auch das Risiko plötzlich ausverkaufter Waren beim chinesischen Händler gibt es beim Drop Servicing nicht. Und: Es eröffnet die Chance, Klienten langfristig zu binden und immer wieder von diesen mit Dienstleistungen beauftragt zu werden – ohne dass man diese Kunden immer wieder neue akquirieren muss und so Marketingkosten anfallen. „Ich mochte die Idee, hochpreisige Services zu verkaufen und mit wenigen Leuten zu tun zu haben“, sagt der selbst betitelte Drop-Servicing-Experte Darius Gaynor. „Es ist am besten, nie der klügste Mensch im Raum zu sein und alles selbst zu machen. Am besten hat man ein Team – auch wenn das remote arbeitet.“
Nach eigenen Aussagen generiert er in einem Monat nebenbei über 4.000 US-Dollar Umsatz mit Drop Servicing. Dylan Sigley, der ebenfalls im Drop Servicing unterwegs ist, spricht in einem Youtube-Video von einem 12.000 US-Dollar schweren Auftrag, den er schon sechs Tage nach dem Start seines Projekts eingesackt habe.
Diese Plattformen machen es einfach
Wie auch beim Dropshipping sollen verschiedene Tools Plattformen dabei helfen können, relativ schnell und einfach mit Drop Servicing zu starten. Auf der einen Seite steht die Shop-Software, um die angebotenen Dienstleistungen zu präsentieren. Viele nutzen auch hier einfach Shopify. Statt Produkten kann mit der Shop-Software ja auch einfach eine Dienstleistung, wie ein Coverdesign für ein E-Book, verkauft werden.
Tools wie Kartra und Clickfunnels können den Glücksrittern noch mehr arbeiten abnehmen. Solche Plattformen vermarkten sich als All-In-One-Lösung, um unkompliziert eine Landing-Page aufzusetzen und direkt einen „Marketing-Funnel“ zu bauen, um Besucher in eine Mailing-Liste zu bekommen (etwa bei einem Warenkorb-Abbruch) oder Upsells zu generieren. Wer im Drop Servicing startet, verkauft meist eine Dienstleistung in verschiedenen Ausbaustufen (zum Beispiel Social-Media Beratung für jeweils eine Plattform, oder eben für zwei bis drei oder für sechs Netzwerke). Für solche Modelle scheinen sich die Sales-Funnel-Plattformen noch besser zu eignen als Shopify.
Der Shop ist für Drop-Service-Unternehmer aber nur die halbe Miete. Sie brauchen ja auch günstige Freelancer. Und die finden sie auf Plattformen wie Fiverr, Upwork, People per Hour & Co. Vor allem Fiverr ist mittlerweile weltweit aktiv und bekannt. Hier gibt es Logo-Designs für unter zehn Euro oder das Setup einer Facebook-Kampagne für unter fünf Euro.
Extrem günstige Angebote für eine Logo-Gestaltung auf Fiverr
Die Suche nach der richtigen Nische
Plattformen wie Fiverr und Upwork helfen den Unternehmern auch direkt dabei, ihre Nische zu finden. In verschiedenen Youtube-Videos zeigen Drop-Servicing-Macher, wie sie zuerst die Fiverr-Kategorien nach Dienstleistungen durchforsten, die dort günstig zu haben sind. Anschließend testen sie im Keyword-Planer von Google, ob ihre Nische ein annehmbares Suchvolumen verzeichnet, und wie hoch der Wettbewerb um die wichtigsten Keywords ist. Anders als beim Dropshipping, wo die China-Produkte meist über Social-Ads auf Facebook, Instagram & Co. oder Influencer beworden werden, ist Google die wichtigste Plattform im Drop Servicing. Hochpreisige Dienstleistungen werden eben nicht impulsiv gekauft (im Gegensatz zu Fidget Spinnern und anderen beliebten Dropshipping-Produkten).
Upwork ist eine Freelancer-Plattform aus den USA, die auch Unternehmen die Möglichkeit bietet, ihre Aufträge auszuschreiben und Angebote von Agenturen einzuholen. Wer im Drop Servicing einen Fuß auf den Boden bekommen will, kann hier recherchieren, in welchen Bereichen es viele und hochpreisige Ausschreibungen gibt und sich direkt mit seinem „Freelancer-Team“ bewerben. So umgehen die Ein-Mann-Unternehmer den harten Kampf um Rankings bei Google und sparen sich Adwords-Anzeigen auf ihre Keywords.
Auf Upwork können sich Drop-Servicing-Unternehmer auf Jobs bewerben – und die Aufgaben dann an Freelancer weiterreichen.
Haben die Glücksritter den richtigen Riecher?
Aber ist Drop Servicing jetzt wirklich so lukrativ und einfach, wie es auf den ersten Blick wirken mag? Das ist zumindest zweifelhaft. Zwar sind die Margen höher als beim Dropshipping, gleichzeitig ist das Volumen viel geringer – auch weil die Dienstleistungen oft noch viel nischiger sind als es ein China-Produkt je sein könnte. Wie viele Käufer findet man für ein E-Book-Cover-Design oder selbst klassische Marketing-Services wie SEO-Beratung oder das Gestalten und Schalten von Social Ads? Hinzu kommt, dass viele potenzielle Kunden online Preise vergleichen und am Ende oft dem günstigsten Angebot den Vorzug geben – so zerbröselt im Zweifel die zu Beginn erhoffte Marge. Die könnte sogar noch zusätzlich gedrückt werden, wenn Drop-Servicing-Unternehmer viel Geld für die Nutzer-Akquise über Google-Anzeigen ausgeben müssen. Weiteres Problem: Plattformen wie Fiverr sind gleichzeitig bekannter und vertrauenswürdiger geworden. Warum sollten Kunden also nicht direkt da ihren Auftrag absetzen?
Und auch bei erfolgtem Auftrag kommen Zweifel auf, ob Drop Servicing so einfach umzusetzen ist wie gedacht. Da viele Dienstleistungen personalisiert sind, lässt sich das Business deutlich schwieriger skalieren als es bei Dropshipping mit Produkten aus China der Fall ist. Kundenbriefings müssen eingeholt und an die Freelancer weitergegeben werden. Ist der Kunde unzufrieden, bekommt er im Zweifel das Geld zurück – die Remote-Arbeiter müssen aber trotzdem bezahlt werden. „Ich habe mich nur mit Menschen zusammengetan, die mir vorher ihr Portfolio gezeigt haben“, sagt Drop-Servicing-Macher Darius Gaynor in einem Reddit-Beitrag. „Ich konnte dann sogar ihre Portfolios und Case Studios nutzen, um damit potenzielle Kunden zu überzeugen.“
Die Gurus kommen schon aus ihren Löchern
Allen Problemen des Geschäftsmodells zum Trotz besetzen schon jetzt viele selbsternannte Drop-Servicing-Experten das Trendthema. Eine Google-Suche liefert nur Anleitungen, wie der Start in das Business gelingt. Am Ende eines jeden Textes? Der Link zum Whitepaper oder einem E-Book zum Thema. Auch auf Youtube präsentieren sich viele „Gurus“, die in Videos zeigen, wie sie selbst ein Drop-Servicing-Business aufgebaut haben – natürlich, um dann zum Beispiel auf ihren Online-Kurs hinzuweisen. Vielleicht sehen wir hier also einen Trend, der am Ende mehr Online-Coaches hervorbringt als tatsächlich erfolgreiche Unternehmer.
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Trotz allem scheint das Thema das Interesse von vielen Online-Glücksrittern auf sich zu ziehen. Auf Reddit haben sich über 2.400 Nutzer im Subreddit (Unterforum) „dropservicing“ zusammengefunden, die sich hier über die besten Strategien austauschen. Die Facebook-Gruppe von Dylan Sigley, der einen Online-Kurs zum Thema gibt und behauptet, mit nur einem Auftrag 12.000 US-Dollar Umsatz gemacht zu haben, kommt auf über 7.000 Mitglieder. Der ganze Bereich ist also im Entstehen begriffen – von außen wird sich auch langfristig nur schwer feststellen lassen, ob hinter bestimmten Angeboten wirklich eine Agentur steckt, oder nur ein Einzelunternehmer, der alle Aufgaben an Fiverr-Freelancer outsourced.