Insbesondere wenn es um Geld geht, sind Fehler und Verluste ein schmerzhafter Prozess. So schmerzhaft, dass manche Menschen durch die Gefahr eines Verlustes lieber auf Investieren verzichten. So gab es im Jahr 2020 insgesamt 5,3 Millionen Menschen, die ihr Geld an der Börse investierten. Im Gegensatz dazu spielen aber 7,3 Millionen Menschen regelmäßig Lotto. Der regelmäßige Verlust von etwa 10 Euro beim Ausfüllen eines Lottoscheins erscheint den Menschen nicht so schmerzhaft und risikoreich, wie der mögliche Verlust am Aktienmarkt. Was Risiko bedeutet, darüber habe ich hier bereits geschrieben. Unter Strich bedeutet es nichts anderes, als dass ich den Ausgang meines Einsatzes nicht kenne. Gilt ja eigentlich fürs Lottospielen und fürs Investieren.
Beim ersteren muss ich mich jedoch aufs pure Glück verlassen, beim letzteren kann ich mit Wissen, etwas Recherche und einer breiten Diversifikation mein Risiko immerhin senken. Für die meisten klingt das zu kompliziert. Sie haben Angst davor, Fehler zu machen. Denn dann kann ich ja nicht anderen die Schuld geben, sondern muss für mein eigenes Versagen geradestehen.
Vom eigenen Versagen
Genau darüber möchte ich in dieser Kolumne schreiben: vom eigenen Versagen und Fehlern beim Investieren. Meinen Fehlern. Wie definiere ich denn nun die größten Fehler? Sind es die, mit den meisten Verlusten oder sind es die, die ich am schmerzhaftesten empfinde? Oder die, für die ich mich vielleicht auch ein bisschen schäme, weil kein Pech im Spiel war, sondern eigenes Versagen?
Als ich mich zum ersten Mal mit dem Thema Investieren auseinandergesetzt habe, las ich über ETFs. In dem Buch „Börse leicht verständlich“ schreiben Judith Engst und Rolf Morrien, wie der Aktienmarkt funktioniert, warum Börse nicht gefährlich ist und wie sich der DAX in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Hochrechnungen, was alles mit 1.000 Euro hätte passieren können und wie viel Geld man damit machen könnte, überzeugten mich. Also eröffnete ich schnurstracks ein Aktiendepot und legte einen ETF-Sparplan an. Auf den DAX.
Deswegen solltet ihr nicht nur in einen Markt investieren
Ein ETF auf den DAX ist aus vielerlei Hinsicht ein Fehler. Zumindest, wenn man nur einen DAX-ETF bespart. Denn damit verstößt man bereits gegen eine der wichtigsten Regeln des Investierens: Lege nie alle Eier in einen Korb. Als der DAX noch aus 30 statt 40 Unternehmen bestand (also bis vor zwei Wochen), waren gleich vier Unternehmen aus der Automobilbranche enthalten: BMW, Daimler, Volkswagen und Continental. Geht es der Automobilbranche schlecht, geht es der Wirtschaft schlecht. Auch, weil jeder dritte Arbeitsplatz in Deutschland von ihr abhängt. Laut dem Magazin „€uro am Sonntag“ hing damals rund ein Drittel des Gesamtumsatzes der DAX-Mitglieder an der Automobilindustrie. Ehrlicherweise machte ich mir keine Gedanken dazu und fing an zu investieren.
Ich hatte Glück, denn wie ihr vielleicht wisst, ging es der deutschen Wirtschaft in den letzten acht Jahren recht gut – trotz Dieselskandals. Dennoch war dies ein Fehler: Ich habe einfach drauflos gelegt, ohne mir Gedanken über Diversifikation und wirtschaftliche Abhängigkeiten zu machen. Engst und Morrien hatten mich überzeugt. Ich wollte auch die Rendite erzielen, die sie beispielhaft am DAX erklärten.
Wenn mich heutzutage Menschen fragen, wie sie investieren sollen, sage ich ihnen, dass sie sich zunächst eine Strategie überlegen müssen und in möglichst verschiedene und voneinander unabhängige Branchen in unterschiedlichen Regionen investieren sollen. Am Ende des Tages kann zwar eine Finanz- oder Coronakrise ganze Märkte hinunter reißen. Dann lautet die Devise Durchatmen und Sitzfleisch bewahren.
Was Aktienhandel und Fußball gemeinsam haben
Als weiteren Fehler könnte ich meinen Einsatz in die Wirecard-Aktie nennen. Hier habe ich mich vom Hype einfach so mitreißen lassen, wie das heute manche bei Tesla tun. Im Gegensatz zu Tesla sahen die Zahlen aber deutlich besser aus und diesmal machte ich zumindest meine Recherche: Der Unternehmenswert hatte sich in zwei Jahren verdreifacht, der Umsatz verdoppelt und die Gewinne lagen 2018 bei 347 Millionen Euro.
Dazu handelte es sich um ein weltweit agierendes Unternehmen in einem wachstumsstarken Markt und Kooperationen mit Alipay und WeChat Pay und mit Sitz in „meiner“ Stadt München. Ein bisschen war ich stolz darauf, so wie Fußballfans es sind, wenn ihr Lieblingsverein gewinnt. Man trägt natürlich nichts dazu bei, hat aber so einen starken „Home Bias“, dass man sich einfach gut fühlt, wenn sich ein Erfolg einstellt. Die Zahlen stimmten, die Zukunftsaussichten sahen gut aus und natürlich kannte man auch Menschen, die dort arbeiten. Was hätte schiefgehen können? Die Antwort auf diese Frage kennen wir alle.
Natürlich kann man einen Bilanzskandal nicht sehen, bis er öffentlich gemacht wird. Aber ich hätte auch auf die kritischen Stimmen hören können. Es gab nämlich auch eine negative Berichterstattung von Leerverkäufern, die entsprechend auf fallende Kurse gesetzt hatten. 2019 berichtete dann die „Financial Times“ über Unstimmigkeiten in der Finanzbuchhaltung im Asiengeschäft des Weltkonzerns. Die Finanzaufsicht BaFin reagierte in beiden Fällen – gegen die Leerverkäufer und Journalisten. Ich war beruhigt.
Mein Learning daraus: Beim Aktienkauf immer in alle Richtungen recherchieren und Kritiker ernst nehmen.
Der 3.000 Euro Fehler
Kommen wir nun zu dem teuersten Fehler. Dem, der mich wirklich ärgert und mich das meiste Geld gekostet hat, der bei dem ich auch ein wenig neidisch werde, wenn ich lese, dass andere diesen Fehler nicht begangen haben. Und gleichzeitig der Fehler, vor dem ich am häufigsten warne.
Als ich studiert habe, habe ich viel gearbeitet. Teilweise hatte ich mehrere Jobs gleichzeitig und hab das Studium eher nebenher laufen lassen. Mir war es wichtig, Geld zu verdienen. Geld, dass ich allerdings nicht gespart oder investiert, sondern mit beiden Händen ausgegeben habe. Für Klamotten, für Ausflüge und vor allem fürs Ausgehen. Damals hätte ich locker 50 Euro im Monat aufbringen können, um es zu investieren. Für Münchner Studenten klingt das vielleicht nach wenig Geld. Ich studierte aber in Leipzig, wo meine Warmmiete 200 Euro betrug.
50 Euro, die ich damals 2009 regelmäßig in einen klassischen ishares MSCI World investiert hätte, waren heute abzüglich aller Kosten und Gebühren 6.670,50 Euro. Wobei 2.880 Euro von mir selbst aufgebracht worden wären. Selbst abzüglich der Steuern hätte ich mein Geld verdoppelt. Hätte.
Falls ihr also noch mit dem Gedanken spielt, ob ihr investieren solltet oder nicht – die Antwortet lautet: Ja, investiert euer Geld. Egal wie wenig es ist. In 10 oder 20 Jahren werdet ihr euch darüber freuen. Ich habe bisher noch niemanden getroffen, der breit investiert hat und es bereute.
Margarethe Honisch ist Finanzbloggerin und Buchautorin. Auf ihrer Website Fortunalista und ihrem gleichnamigen Instagram-Account gibt sie Tipps rund um Altersvorsorge und Geldanlage. Für Business Insider schreibt sie die Kolumne „Aus Geld mehr machen“.