Vor kurzem führte ich ein sehr spannendes Gespräch mit einem Mitarbeiter von OnePlus. Die meisten Kunden sahen OnePlus, in seinen Anfangszeiten, als Außenseiter und Underdog an. Allerdings steckt hinter dem Unternehmen ein chinesische Smartphone-Imperium und eine geniale Marketingstrategie.
BBK Electronics (广东步步高电子工业有限) ist der drittgrößte Smartphonehersteller weltweit und du hast wahrscheinlich noch nie von ihnen gehört!
Mit über 190 Millionen verkauften Smartphones in 2017 ist das Konglomerat aus China Apple (215 Mio.) dicht auf den Fersen. Ohne Finanzspritzen des Mutterkonzerns wäre der Aufstieg von OnePlus so nicht möglich gewesen.
BBK Electronics im Detail
BBK oder im chinesischen Bùbùgāo (步步高, von 步步高升 = Stetig aufsteigend) wurde am 18. September 1995 von Duan Yongping (段永平, chinesischer baike.baidu Artikel) in Dongguan (东莞), wenige Kilometer östlich von Shenzhen, gegründet. Die Firma ist mit ihren über 10.000 Mitarbeitern mittlerweile so bekannt und angesehen, dass der Straßenzug, in dem sich die Hauptzentrale befindet, nach ihnen benannt wurde (广东省东莞市长安镇乌沙步步高大道126号).
Durch die Nähe zu zahlreichen Fabriken produzierte BBK in den Anfangszeiten diverse Elektronikprodukte wie Kopfhörer, CD-Player oder gar Teile von alten Spielekonsolen. Leider gibt es für die Zeit zwischen 1995 und 2004, dem Jahr in den die Marke Oppo der Öffentlichkeit gezeigt wurde, bis auf einige Auszeichnung durch die Regierung, wenige Informationen. Ohnehin sind es die beiden großen Smartphone-Marken Oppo und Vivo, die BBK Electronics so bekannt gemacht haben.
Darüber hinaus trifft man regelmäßig in China auf Offlineshops mit dem BBK-Branding, in dem Produkte verkauft werden. Die Produktpalette umfasst heutzutage alle elektronischen Geräte, die in einem gewöhnlichen Haushalt zu finden sind. Hauptmärkte sind Asien und Russland.
Was ist eigentlich Vivo?
Obwohl Vivo (维沃 / Wéi wò) in 2009, also 4 Jahre nach Oppo, gegründet wurde, möchte ich die Marke zuerst vorstellen, da sie in keiner Verbindung zu OnePlus steht. Mit einem Marktanteil von über 10% gehört Vivo, die als Premiumhersteller in den höheren Preisklassen gelten, zu den größten Marken in China.
Vivo sponsort den beliebten NBA-Spieler Stephen Curry und erhofft sich so mehr Umsatz in den Hauptmärkten in Asien. Bis auf Russland hat es Vivo allerdings noch nicht über die asiatischen Grenzen geschafft.
In den Anfangszeiten sorgten vor allem dedizierte HiFi-Chips, ein bis dahin nie wahrgenommenes Feature, für einen guten Ruf und viele Fans. In 2013 waren sie die ersten, die mit dem Xplay3s ein Smartphone mit 2K-Display auf den Markt gebracht haben. Die eigens entwickelte Funtouch-Oberfläche und diverse Apps im eigenen Ökosystem sorgen dafür, dass Nutzer sich langfristig an die Marke binden.
Auch in den letzten Monaten sorgt Vivo für Aufsehen. Das Vivo X20 ist das erste Smartphone mit Fingerabdrucksensor im Front-Display (siehe Animation), die sogenannte Clear-ID, entwickelt vom amerikanischem Unternehmen Synaptics. Wer diesen Artikel auf einem Laptop liest, der hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Synaptics Trackpad verbaut.
Auch ein Konzept Smartphone ohne Displayränder und einer ausfahrbaren Kamera wurde in den letzten Wochen präsentiert.
Was ist eigentlich Oppo?
Die Marke Oppo (欧珀 / Ōu pò), welche von BBK seit 2004 prominent gemacht wird, ist das Zugpferd des Elektronikherstellers und drittgrößter Smartphone-Hersteller in China (nach Huawei und Apple). Gegründet wurde sie von Chen Mingyong (陈明永), der bis heute als CEO tätig ist.
Oppo ist offizieller Sponsor des FC Barcelona in fast allen wichtigen asiatischen Marken und sorgt besonders in China für viel Aufsehen. Erst vor einigen Monaten buchten sie den Guangzhou Tower und andere prominente Werbeplätze in China, um das Oppo R9s, welches das meistverkaufte Smartphone in 2017 ist, zu bewerben. Die Werbung mit dem Slogan „Vollgeladen, Zeit für Bilder und Anrufe“ (充电充满了,这次聊聊拍照吧) bzw. „5 Minuten laden, zwei Stunden telefonieren“ (充电5分钟,通话两小时) auf dem Canton-Tower sollen, so Gerüchte auf weibo und douban, ungefähr 30 Millionen USD gekostet haben
Obwohl die Marke primär nur in Asien erworben werden kann, kennen vielleicht einige Kunden die Sound-Systeme und Blu-Ray Player von Oppo. Diese gehören noch immer zu den besten Produkten auf dem Markt. Das erste Smartphone (Oppo R817 Real) wurde erst Jahre später, im Oktober 2012, hergestellt.In den kommenden Jahren stellte Oppo – mit dem Finder und R5 – nicht nur die dünnsten Smartphones der Welt her, sondern wagte mit dem Oppo N1 auch ein Experiment, welches eine drehbare Kamera für Front- und Rückseite beinhaltet.
Besonders beliebt ist Oppo vor allem bei jüngeren Kunden in China. Dies liegt daran, dass fast alle Geräte zu einem Preis weit unter 3500CNY (~450€) verkauft werden und trotzdem hochwertige Qualität bieten. Auch die Marketingkampagnen richten sich an eine junge, professionelle und agile Zielgruppe mit hohen Ansprüchen. Besonders die Kamera, welche für Selfies und Reisebilder genutzt wird, steht im Vordergrund
Oppo ist übrigens der Mutterkonzern von OnePlus und es wird ihnen nachgesagt, dass die Smartphones ein sehr ähnliches Design aufweisen. Schließlich kommen sie aus der selben Fabrik. Wieso also nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Der Werdegang von OnePlus
Mittlerweile kennt jeder den Smartphone-Hersteller OnePlus (一加科技 / Yījiā Kējì). Gegründet wurde das Unternehmen von Pete Lau (刘作虎 / Liú Zuòhǔ) und Carl Pei (裴宇 / Péi yǔ). Bevor sie OnePlus gründeten, arbeiteten sie zusammen bei OPPO als Vice President und Marketing Manager.
Zu beginn verneinte Lau noch eine Verbindung zu Oppo. Allerdings zeigt das chinesische Unternehmensregister, dass eine, zu Oppo gehörende, Holding zu 100% an OnePlus beteiligt ist. Dies bedeutet, dass nicht nur Hilfe bei der Produktion, sondern auch der Distribution vorhanden ist. Auch das Marketingetat wird sicher regelmäßig vom großen Bruder, der z.B. in den europäischen Märkten völlig unbekannt ist, aufgestockt.
In den letzten 4 Jahren zeigte OnePlus regelmäßig einen gewissen Grad an Unfähigkeit im Marketing. Wo die ersten Generationen des OnePlus noch lediglich per Invite-System erstanden werden konnten, wurde nun davon abgesehen. Das System hat sich OnePlus aus China bei Xiaomi abgeschaut, welche in den ersten Jahren nur auf ihrer eigenen Website mit sogenannten Flash-Sales verkauften.
Künstlich Knappheit zu erzeugen, obwohl genug Geld und Möglichkeiten vorhanden sind, brachte OnePlus allerdings weit nach vorne.
Regelmäßig wurden Kampagnen eingeführt, die einen höheren Platz in der Warteliste oder einen direkten Invite-code versprachen. Es wurde dazu aufgefordert das alte Smartphone mit Videobeweis zu zerstören oder weibliche Fans sollten Fotos mit dem OnePlus Logo hochladen. Das kann nicht gut enden.
Dies waren allerdings nicht die einzigen Problemfälle, denen sich OnePlus stellen musste. In den letzten Jahren kamen, obwohl insgesamt weniger als 10 Smartphones hergestellt wurden, noch einige weitere Probleme hinzu. Zu diesen gehören unter Anderem:
Rückzug aus dem Indonesischen Markt
Verbot in India (aufgehoben)
Kundenservice schlecht & Garantiefälle abgewiesen
Fehlerhaftes USB-C Kabel
Updatepolitik nicht eingehalten
Gefälschte Werte im Antutu-Benchmark
Ebenfalls vermute ich, dass auch OnePlus, ähnlich wie alle China-Shops, nicht Ordnungsgemäß in Europa importiert und sich die Einfuhrumsatzsteuer spart. Abgewickelt werden alle Bestellungen für europäische Kunden in einem Warenhaus in Polen. Das Unternehmen verweigert bis heute das Ausgeben von Zollrechnungen – selbst für Geschäftskunden.
Trotz all der Rückschläge ist OnePlus mittlerweile eine Hausnummer auf dem internationalen Smartphone-Markt und besonders für diejenigen interessant, die Apples iPhone oder Samsungs Galaxy- und Note-Reihe den Rücken zuwenden. Preislich macht der Hersteller aber regelmäßige Sprünge nach vorne. Einst für rund 300$ erhältlich, kosten die Top-Modelle nun rund 500$ bei Release und verdächtigerweise sehen die Smartphones denen von Oppo immer ähnlicher.
Das OnePlus 5, welches das erfolgreichste Smartphone des jungen Unternehmens ist, ist fast identisch zum Oppo R11, welches allerdings schon unter 400€ in China verfügbar ist.
OnePlus war nie Außenseiter: ein geplantes Experiment?
Vorsicht, jetzt ist es Zeit für den Aluhut und Verschwörungstheorien! OnePlus Auftritt als Underdog und Außenseiter ist die beste Marketingkampagne, die der Smartphone-Markt bisher gesehen hat. Freuen tut sich hier besonders einer: BBK Electronics!
Zusammen mit Oppo und zwei engagierten Gründern wurde eine Marke erschaffen, die am lautesten außerhalb von China besprochen wird. Einem Markt, den die Marken Oppo und Vivo aus diversen Gründen noch nicht erobert haben. Mit OnePlus wurde allerdings ein Versuchskanninchen gefunden, dass zu 100% in der Kontrolle des Mutterkonzerns steht, aber auf der internationalen Bühne als eigenes Unternehmen agiert.
Diverse Marketingtechniken, die sonst nur in China funktionieren, wurden an dem Rest der Welt getestet – erfolgreich! Spätestens seit dem Erfolg des OnePlus One, bei dem Oppo an allen Enden nachgeholfen hat, war das Ziel klar: Eine dritte Marke unter dem Dach von BBK Electronics erschaffen, mehr Marktanteile sichern und Investoren durch Erfolge in der westlichen Welt bezirzen.
Glücklicherweise wurden hier sehr gute Smartphones produziert, sodass Kunden gerne zurückkommen und die Marke weiterempfehlen. Kleinere China-Anbieter scheitern meist schon bei ihrem ersten Gerät.
Ob OnePlus trotz des großen Erfolges zu ihren Anfangszeiten profitabel war, können wir nur erraten. Wäre die Marke allerdings so schnell so groß geworden, wenn keine finanzielle Hilfe der gigantischen Mutterkonzerne vorhanden gewesen wäre?
Das BBK Electronics-Imperium in Zahlen
Schaut man sich die Statistiken der verkauften Smartphones in verschiedenen Ländern an, dann sieht das Bild immer ähnlich aus. Samsung, Apple, Huawei und eine großer Rest.
In China – und generell in asiatischen Ländern – ist das Ergebnis allerdings deutlich anders. Marken, von denen ihr noch nie gehört habt, besitzen ein größeres Stück vom Kuchen als etablierte Hersteller wie Motorola, Sony oder HTC.
Nur vier der meistverkauftesten Smartphones in China können auch direkt in Deutschland erworben werden. Der restliche Platz wird von Oppo und Vivo eingenommen:
Beeindruckende Zahlen und sehr spannend, dass der einzige ausländische Hersteller, der einen Marktanteil in China halten kann, Apple ist. Samsung wurde von ehemals über 20% fast komplett durch chinesische Marken verdrängt.
Werden nun die Zahlen der gesamten Smartphone-Verkäufe angezeigt, dann zeichnet sich ein deutlich klareres Bild über den gesamten Markt: BBK Electronics ist ein Riese, den niemand so wirklich kennt.
BBK Electronics und Huawei sind in dieser Statistik die am schnellsten wachsenden Unternehmen. Apple dürfte sehr schnell als zweitgrößter Smartphone-Hersteller abgehängt werden können. Gemeinsam beginnt dann die Jagd der Chinesen nach dem Thron, der momentan mit großem Abstand in Südkorea zu finden ist.
Den größten Gewinn wird allerdings Apple einsacken können. Das die chinesischen Unternehmen sich eine ähnlich große Marge leisten können, bezweifel ich sehr stark.
Kommen Vivo und Oppo bald nach Europa?
Unwahrscheinlich, die legislativen Hürden sind nur schwer zu überwinden. Xiaomi hat erst vor kurzem vor Gericht gegen Apple verloren. Selbiges Schicksal würde Oppo und Vivo treffen, da viele Designmerkmale und verwendete Technologien identisch sind. Auch die Lizenzgebühren müssten neu verhandelt werden.
Vielleicht versucht BBK Electronics einen ähnlichen Weg wie Xiaomi zu gehen. Diese arbeiten mit lokalen Resellern zusammen ohne selbst ein Unternehmen, welches eventuell rechtliche Verantwortung übernehmen muss, auf dem europäischen Kontinent zu eröffnen.
Realistisch rechne ich nicht mit einem Markteintritt in den nächsten 5 Jahren. Es ist wahrscheinlicher, dass neue Marken aus China auftreten und OnePlus, als internationales Zugpferd von BBK Electronics, gestärkt wird – nicht zuletzt ähneln diese Smartphones denen von Oppo sehr.
Wer macht eurer Meinung nach das Rennen in der Zukunft? Wäre mehr Markenvielfalt und Konkurrenz wünschenswert oder seid ihr generell skeptisch gegenüber großen, unbekannten chinesischen Unternehmen?
Tags: bbk electronicsmarketingoneplusoppovivo